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K e p l e r - G e s e l l s c h a f t  e. V.
W e i l  d e r  S t a d t

Leben und Wirken von Johannes Kepler 

- interessant für unsere Jugend?

Beitrag zum 375. Todestag von Johannes Kepler (+15.11.1630)

von

Manfred Fischer und Ernst Kühn *

Dezember 2005

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Leben und Wirken von Johannes Kepler 

- interessant für unsere Jugend?

Beitrag zum 375. Todestag von Johannes Kepler (+15.11.1630)

von

Manfred Fischer und Ernst Kühn *Dezember 2005

 

Im Universum, im Kosmos gibt es, nach allem was wir heute wissen, mehrere hundert Milliarden Galaxien – eine davon ist unsere Milchstraße. Unsere Milchstraße ist dabei eine der eher kleineren Galaxien. Jede Galaxie umfaßt im Mittel etwa 100 Milliarden Sterne – also Sonnen. Dazu kommen in allen Galaxien vermutlich mindestens ebenso viele Planeten wie Sterne. Es gibt also insgesamt unvorstellbar viele Galaxien, Sterne und – vermutlich auch – Planeten.

Unser Sonnensystem, welches sich eher am Rande unserer Milchstraße befindet, ist daher eines von insgesamt etwa 10 Milliarden Billiarden - oder 10 hoch 22 - Sonnensystemen im Kosmos. Alle Planeten bewegen sich gemäß den drei Planetengesetzen die Johannes Kepler 1609 und 1618 entdeckte. Auch die Flugbahnen all der Satelliten und Raumfahrzeuge, die der Mensch in den erdnahen Weltraum und in unser Sonnensystem hinausschickt, gehorchen in ihren antriebslosen Flugpassagen - in einem erweiterten Sinne - den Kepler’schen Planetengesetzen.

Zur Erinnerung: Vor knapp 50 Jahren erst, 1957, wurde der erste Erdsatellit, der sowjetische Sputnik, gestartet. Erst Mitte des 21. Jahrhunderts werden die 1977 gestarteten NASA-Raumfahrzeuge Voyager 1 und 2 in den äußeren Bereich unseres Sonnensystems vorgestoßen sein und am Planeten Pluto vorbeifliegen, ehe sie in der Tiefe des Kosmos verschwinden.


Wer aber war Johannes Kepler (1571 – 1630)?

Es ist an dieser Stelle natürlich nicht möglich, das überragende Lebenswerk Keplers erschöpfend darzustellen. An Johannes Kepler bewundern wir vor allem den immer auf das Große gerichtete Geist und den lauteren Charakter, dem zeitlebens alles Kleinliche und Egoistische fremd blieb. Kepler lebte in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche. Reformation, Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg beeinflußten sein Leben auf vielfältige Weise. Doch trotz aller Widrigkeiten hinterließ Johannes Kepler ein Werk von höchst eindrucksvoller wissenschaftlicher Vielfalt.

Er leistete nicht nur Bahnbrechendes in der Astronomie, sondern schuf auch wegweisende Grundlagen in der Mathematik und Optik, und befaßte sich intensiv mit Musiktheorie, Naturphilosophie, Theologie und Chronologie. Er erfand das nach ihmbenannte Astronomische Fernrohr und entwickelte ein Verfahren zum Ausmessen von Weinfässern. Er machte sich im beginnenden 17. Jahrhundert ganz genaue Vorstellungen über das Himmelsschauspiel, das sich einem Betrachter vom Mond aus bietet: den blauen Planeten Erde, die gleißende Sonne, den noch komplizierteren Lauf der Planeten in der 14 Erdtage dauernden Mondnacht, Sonnenfinsternisse, Erdfinsternisse und vieles mehr. Welch kühne Gedanken und Visionen, vor allem zu der damaligen Zeit!

An einer späteren Raumfahrt der Menschen hatte er keinen Zweifel. Keplers Vision einer bemannten Raumfahrt wird deutlich im folgenden Zitat: Man schaffe Schiffe und Segel, die sich für die Himmelsluft eignen. Dann wird es auch Menschen geben, die vor der öden Weite des Raumes nicht zurückschrecken werden“ (aus Keplers „Dissertatio cum Nuncio Sidereo“, Prag 1610)

Der alte Menschheitstraum, zum Mond zu fliegen, wurde im 20. Jahrhundert mit dem amerikanischen Apollo-Projekt Wirklichkeit, auf der Grundlage der Keplerschen Planetengesetze und der übergeordneten Mechanik von Isaac Newton.


Seine wichtigsten Leitgedanken zusammengefaßt:

  • Kepler ist zutiefst überzeugt, daß Gott die Welt, den Kosmos, so erschaffen hat, daß der Mensch diesen Schöpfungsplan begreifen kann – wenn er sich genügend anstrengt.
  • Die Sonne ist der „Sitz einer bewegenden Kraft“, die die Planeten auf ihrer Bahn hält und bewegt. Diese Kraft ist um so schwächer, je weiter ein Planet  von der „Quelle“ der Kraft entfernt ist. 
    Dieser Leitgedanke ist der Ausgangspunkt für die von Kepler später gefundene Himmelsmechanik. Mit der Vorstellung, daß von der Sonne Kräfte auf die Planeten wirken, denkt Kepler als erster Astronom physikalisch und nicht nur geometrisch und kinematisch, wie alle Astronomen vor ihm. Er dachte dabei allerdings an „magnetische“ Wechselwirkungskräfte zwischen Sonne und Planeten, die dank ihrer mathematischen Struktur automatisch zur richtigen Bahn und Bahngeschwindigkeit führen. Es blieb Isaac Newton vorbehalten, gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Gravitationskraft als die übergeordnete Ursache zu entdecken.
  • Die Bahn der Erde ist wie die aller anderen Planeten zu behandeln – besitzt also keine Sonderrolle. 
    Auch damit greift Kepler über Kopernikus hinaus, der den Mittelpunkt der Erdbahn keineswegs direkt in den Mittelpunkt der Sonne verlegte, sondern in den so genannten Ausgleichspunkt. Kopernikus blieb auch bei der alten aristotelischenVorstellung, daß die Erde eine kreisförmige Bahn beschreibt und diese mit konstanter Geschwindigkeit durchläuft.
  • Es muß eine Harmonie bestehen zwischen den Geschwindigkeiten der Planeten. 
    Kepler greift damit nach etwa 2000 Jahren Platons Ideenlehre von der Harmonie und Schönheit der Naturgesetze auf. Platon (427 – 347) war der Schüler von Sokrates (469/470 – 399) und Lehrer von Aristoteles (384 – 322).
  • Theoretische Überlegungen und Erkenntnisse müssen mit allen Beobachtungen und Experimenten im Einklang sein - jedenfalls im Rahmen der Beobachtungs-genauigkeit - andernfalls sind sie falsch.

Johannes Kepler hat mit diesen Leitgedanken sein großartiges Lebenswerk geschaffen und - zusammen mit Galileo Galilei, René Descartes und anderen Gleichgesinnten - Anfang des 17. Jahrhunderts die neuzeitliche Naturwissenschaft begründet.

Johannes Kepler, interessant für unsere Jugend?

Das Wissen über grundlegende, ursächliche Zusammenhänge in der Natur kann nie als endgültig abgeschlossen gelten, das menschliche Wissen ist vielmehr ständig auf dem Prüfstand neuer Erfahrungen. Forschung ist immer dann besonders spannend, wenn althergebrachte, scheinbar felsenfeste Theorien ins Wanken geraten, sei es durch neuere Beobachtungen, sei es durch Auswertung alter Beobachtungen unter neuartigen Fragestellungen.

In eine Zeit solcher radikaler Erneuerungen fällt das Leben und Wirken von Johannes Kepler.

Kepler steht herausragend für das Wiederaufleben, die Renaissance, dieser uns heute so selbstverständlich erscheinenden Forschungslogik, die in der Antike einmal gegenwärtig gewesen war, im christlichen Abendland des Mittelalters jedoch stark überdeckt war von dogmatisch kanonisiertem „Wissen“, das kritisch zu hinterfragen geradezu gefährlich geworden war. Im arabischen Morgenland dagegen hatte die „freie“ Wissenschaft der Antike überlebt und sogar bedeutende Fortschritte erzielt. Über Italien und besonders Spanien waren die Kenntnisse darüber in den beiden vorangegangenen Jahrhunderten langsam auch wieder nach Mitteleuropa gedrungen.

Konflikte mit einem eingeschliffenen Dogmatismus konnten nicht ausbleiben. Auch und insbesondere Kepler gerät mitten in diese Konflikte hinein. Sein Wirken als Forscher und sein privates Leben werden davon stark beeinflußt. Das wird leicht vergessen, wenn man sich unter dem Stichwort „Kepler“ lediglich an die drei nach ihm benannten Gesetze der Planetenbewegung erinnert, vielleicht noch an die Erfindung des nach ihm benannten astronomischen Fernrohrs aus zwei Sammellinsen.

Über Keplers Leben wissen wir heute sehr viel. In hunderten von erhalten gebliebenen Briefen können wir seine Erlebnisse und Gedanken miterleben. Bessere Zeitzeugen kann man sich gar nicht wünschen, sie sind einer der interessantesten Zugänge für die Geschichte und Geistesgeschichte des beginnenden 17. Jahrhunderts.

An Keplers großen Werken ist besonders reizvoll, daß er den Leser am Gang der Entdeckungen, einschließlich der Rückschläge, wenn sich etwas Neues an den Beobachtungen nicht bewahrheitet hat, sehr ausführlich teilhaben läßt. Diese Ausführlichkeit ist im 18. und 19. Jahrhundert auch getadelt worden. Dazu sollte man sagen, daß es in der Tat nicht gut wäre, wenn alle naturwissenschaftlichen Bücher derart ausführlich abgefaßt wären. Bei einem Mann aus der Gründungszeit neuzeitlicher und selbstkritischer Naturwissenschaft  darf man das anders sehen.

Im vergangenen 20. Jahrhundert hat deshalb eine tief gehende Kepler-Forschung begonnen, die verborgenen Schätze in Keplers Werken und Briefen zu heben, die neue wertvolle Einsichten in Keplers Persönlichkeit, in seine bedingungslose Lauterkeit bei der Wahrheitssuche und in seine Zeit ermöglichen.

Kepler ist als ein leuchtendes Beispiel für verantwortungsvolle, der Wahrheit und der Ethik verpflichteten Forschung, abhold jeglichem Dogmatismus, von großer Bedeutung für die Zukunft der Menschen. Das gilt natürlich besonders für unsere Jugend, die zukünftig vor zunehmend große ethische Fragen und Probleme umwälzender neuer wissenschaftlicher Möglichkeiten, Erkenntnisse und Herausforderungen gestellt sein wird, und die sich vielleicht erneut mit heraufziehenden,  fundamentalistischen Dogmatismen auseinandersetzen muß.

Der lautere Charakter und die überragende Forscherpersönlichkeit von Johannes Kepler kann dabei ein großes Vorbild sein.

*  Prof. Dr. Manfred Fischer, Vorsitzender der Kepler-Gesellschaft e.V.

    Dr. Ernst Kühn, Mitglied des Vorstands der Kepler-Gesellschaft e.V.

Anlage: Literatur für Einsteiger

  • Max Caspar: „Johannes Kepler“, Stuttgart (vierte Auflage) 1995
  • „Johannes Kepler in seinen Briefen“, herausgegeben von Walther von Dyck und Max Caspar, München 1930
  • Justus Schmidt: „Johann Kepler, sein Leben in Bildern und eigenen Berichten“, Linz (2. Auflage) 1970
  • „Das Kepler-Museum in Weil der Stadt, Museumsführer“, Kepler- Gesellschaft Weil der Stadt 1999
  • Job Kozhamthadam, S.J.: „The Discovery of Keplers Laws, the Interaction of Science, Philosophy and Religion“, University of Notre Dame Press (Notre Dame Indiana 46556) 1994
  • „Johannes Kepler: Gesammelte Werke“ (22 Bände), herausgegeben im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (München) 1937 - . Vorwiegend lateinisch